Schilddrüse und Auge:
Endokrine Orbitopathie

07.09.2022
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Die Schilddrüse

Die Schilddrüse ist ein kleines Organ, welches unterhalb des Kehlkopfes liegt. Sie produziert die Schilddrüsenhormone die auf nahezu alle Stoffwechselvorgänge in unserem Körper Einfluss haben. Entsprechend gross ist die mögliche Bandbreite der Beschwerden bei Funktionsstörungen dieses Organs. So können sich Erkrankungen der Schilddrüse zusätzlich auf die Augen auswirken. Vor allem gewisse Formen der Schilddrüsenbeeinträchtigung gehen häufig mit Augenproblemen einher. Bei Beschwerden wie zum Beispiel Augenbewegungsstörungen mit Doppelbildern oder stark hervortretenden Augen sollte daher auch eine Schilddrüsenerkrankung in Betracht gezogen werden.

Endokrine Orbitopathie

Das Wort «endokrin» beschreibt die Fähigkeit von Zellen gewisser Organe, ein Hormon zu produzieren, welches ins Blut abgegeben wird. Die Schilddrüse ist ein hormonproduzierendes und damit endokrines Organ. Orbitopathie ist der Fachausdruck für Erkrankungen der Augenhöhle. Führt eine Schilddrüsenfunktionsstörung zur Miterkrankung der Augenhöhle, spricht man daher von einer endokrinen Orbitopathie.

Ursachen

Bei der endokrinen Orbitopathie handelt es sich um eine sogenannte Autoimmunerkrankung. Ursache ist eine fehlgesteuerte Immunreaktion. Hierbei richten sich Zellen des körpereigenen Abwehrsystems gegen bestimmte Bestandteile der Augenhöhle: Es kommt zu Entzündungen im Binde- und Fettgewebe der Augenhöhle sowie an den Augenmuskeln und Lidern. Das Gewebe schwillt an und vermehrt sich. Letzteres ist ein Versuch des Körpers, die beschädigten Anteile zu ersetzen. Warum es zu solchen Autoimmunerkrankungen kommt, ist nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass Faktoren wie eine genetische Veranlagung, Virusinfektionen, Stress und Rauchen bei der Entstehung eine zentrale Rolle spielen.

Zusammenhang Schilddrüse und Augen

Die endokrine Orbitopathie muss nicht immer mit einer Schilddrüsenfehlfunktion vergesellschaftet sein und sie ist auch keine direkte Folge der Schilddrüsenerkrankung. Allerdings tritt sie gehäuft im Rahmen einer Schilddrüsenüberfunktion, der sogenannten Hyperthyreose, auf. Die Hyperthyreose ihrerseits wird in den meisten Fällen durch autoimmune Prozesse ausgelöst (Morbus Basedow). Der Zusammenhang besteht nun darin, dass die Augenmuskeln sowie Binde- und Fettgewebe in der Augenhöhle an ihren Oberflächen Ähnlichkeiten mit den Strukturen der Schilddrüse haben. Bei einer entsprechenden Fehlsteuerung des Immunsystems werden daher häufig sowohl die Schilddrüse als auch die Augen angegriffen.

Beschwerden

Der Entzündungsprozess geht mit einer Schwellung der Gewebe einher. Aufgrund der Begrenzung durch die knöcherne Augenhöhle entsteht für das Auge und sein umgebendes Gewebe ein Platzmangel und es kommt daher zu einer Verlagerung nach vorne. In der Folge treten eine Reihe verschiedener Symptome auf:

  • Hervortreten der Augen (Exophthalmus)

  • Ungenügender Lidschluss, wodurch die empfindliche Hornhaut exponiert wird

  • Austrocknung der Hornhaut mit Augenbrennen, Augenrötungen, Fremdkörpergefühl, stark tränende Augen, Lichtempfindlichkeit, verschwommenes Sehen und Sehverschlechterung

  • Entzündung der Bindegewebe, Augenmuskeln und Lider mit Schielen und Doppelbildern, Augenschmerzen, Augenbewegungsstörungen, seltener Lidschlag

Besonders gefährlich ist eine Schädigung des Sehnerven bedingt durch die Druckzunahme in der Augenhöhle. Hierdurch kann aus zu Ausfällen im Gesichtsfeld und schlimmstenfalls zur Erblindung kommen.

Risikofaktoren

Neben Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion haben auch Raucher:innen ein höheres Risiko an einer endokrinen Orbitopathie zu erkranken. Das Rauchen kann dabei nicht nur ein Auslöser sein, sondern es verschlechtert eine bestehende Erkrankung zusätzlich, führt zu schwereren Krankheitsverläufen und verzögert bzw. vermindert den Behandlungseffekt. Des Weiteren sind Frauen circa 8-mal häufiger von einer endokrinen Orbitopathie und generell häufiger als Männer von Autoimmunerkrankungen betroffen.

Morbus Basedow

Bei der Basedow-Erkrankung handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Es treten gleichzeitig folgende Beschwerden auf, die auch als Merseburger-Trias bezeichnet werden:

  • Endokrine Orbitopathie

  • Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), mit unter anderem Herzrasen, Gewichtsabnahme, vermehrtem Schwitzen

  • Vergrösserte Schilddrüse (Struma)

Untersuchungen bei der Augenärztin oder dem Augenarzt

Neben einer sorgfältigen Erhebung der Krankengeschichte und gründlichen augenärztlichen Untersuchung führt die Augenärztin oder der Augenarzt, je nach Stadium der Erkrankung, auch eine Reihe anderer Tests durch. In der Regel gehört Folgendes in die Untersuchung:

  • Prüfung von Sehschärfe, Gesichtsfeld und Farbsehen

  • Beurteilung des Augenhintergrundes

  • Messen des Augeninnendruckes

  • Prüfung der Augenmuskeln und ihrer Beweglichkeit mit Hilfe der Ultraschalluntersuchung

  • Untersuchung auf Schielen

  • Prüfung auf Hervortreten der Augen

  • Bestimmung der Weite der Lidspalten

Für die Diagnose der endokrinen Orbitopathie ist die Kernspintomografie oder Computertomografie die Methode der Wahl. Mit Hilfe der Bildgebung können die Gewebe und Muskeln in der Augenhöhle beurteilt werden und gleichzeitig eine andere Ursache für die Erkrankung, wie zum Beispiel ein Tumor, ausgeschlossen werden.

Behandlungsmöglichkeiten

Neben der Behandlung einer allfälligen Erkrankung der Schilddrüsen erfolgt abhängig vom Schweregrad der Entzündung sowie der Beschwerden eine augenärztliche Therapie. Im akuten entzündlichen Stadium erhalten Betroffene eine Kortisontherapie über einige Wochen. Daneben besteht zusätzlich die Möglichkeit einer Augenhöhlenbestrahlung. In chronischen Fällen, mit geringer Entzündungsaktivität wird symptomatisch behandelt, d. h. primär zur Linderung der Beschwerden. So erhalten Patient:innen zum Beispiel Tränenersatzmittel für die Oberflächenbefeuchtung des Auges. Ein chirurgischer Eingriff zur Verminderung der Schwellung in den Augen kann in folgenden selteneren Fällen notwendig sein:

  • Bei Druck auf den Sehnerven (v. a. bei hoher Entzündungsaktivität)

  • Bei Schielen/Doppelbildern (Operation an den Augenmuskeln)

Auch bei einer starken kosmetischen Beeinträchtigung durch die verkürzten Augenlider und hervortretenden Augen kann eine Operation in Erwägung gezogen werden.

Behandlung und regelmässige Kontrollen

In erster Linie ist eine optimale Einstellung des Stoffwechsels durch Behandlung der Schilddrüsenstörung anzustreben, zum Beispiel durch Medikamente, welche die Schilddrüsenüberfunktion hemmen. Zudem ist eine gründliche augenärztliche Untersuchung wichtig. Die Behandlung richtet sich nach dem Stadium der Erkrankung und den im Vordergrund stehenden Beschwerden. Regelmässige Kontrollen bei der Augenärztin sowie eine enge Zusammenarbeit mit dem Schilddrüsenspezialisten sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie. Kontaktieren Sie Ihre Augenärzt:innen in Bern.

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